Rheinische Post: Im Rollstuhl an der Platte
Inklusives Tischtennis bei Borussia Düsseldorf
Beim Tischtennis-Rekordmeister Borussia Düsseldorf spielen auch Menschen mit Behinderung. Sie haben eigene Mannschaften – etwa für Blinde oder Rollstuhlfahrer –, spielen aber auch mit den übrigen Sportlern und sind auf Turnieren erfolgreich.
Kolja arbeitet wirklich hart an der Platte. Das Tischtennistalent aus der Jugendmannschaft von Borussia Düsseldorf spielt Vorhand, spielt Rückhand, haut drauf, mal mit mehr, mal mit weniger Topspin. Auf der anderen Seite des Netzes sitzt, ja richtig, sitzt, Stephi Andrée und blockt fast jeden Angriffsversuch ihrer Gegenspielerin in aller Seelenruhe ab. Andrée ist Rollstuhl-Tischtennisspielerin, in ihrer Sportart amtierende deutsche Vizemeisterin und Zweitliga-Spielerin. „Ich spiele gerne gegen Stephi. Die Bälle kommen schneller zurück, weil sie so nah an der Platte sitzt und so gut blocken kann“, erläutert Kolja. „Leistungsmäßig kann sie locker mit den anderen Spielern im Verein mithalten.“
Seit ein paar Monaten ist Andrée regelmäßig beim Training der Jugend-Leistungsgruppe der Borussia dabei. Inzwischen ist das völlig normal. Ungewöhnlich ist es eher, wenn die Rollstuhl-Tischtennisspielerin mal nicht in der Halle ist. „Dann fragen alle, was mit Stephi los ist und machen sich Gedanken“, erläutert Trainerin Melissa Dorfmann. Ihre Idee war es, das Montags-Jugendtraining der Borussia als inklusive Trainingseinheit anzubieten. Umgekehrt nimmt sie einige ihrer Borussen-Kids zu Tischtennis-Lehrgängen des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands NRW (BRSNW) mit. Dorfmann ist nicht nur Borussia-Jugendtrainerin, sondern auch BRSNW-Landestrainerin. Manchmal kommt auch der mehrfach behinderte Klaus Mewes dazu. Er spielt bei den Borussen sowohl bei den sogenannten „Fußgängern“, also der stehend Behinderten, als auch in Borussias regulärer Kreisklassenmannschaft. „Klaus ist im Behindertensport der Vorreiter bei uns. Er ist schon seit mehr als 20 Jahren im Verein und spielte völlig selbstverständlich schon in vielen Mannschaften mit. Damals gab es bei der Borussia auch noch keine Gruppe im Behindertensport“, erläutert Borussia-Vizepräsident Jo Pörsch.
Das änderte sich schlagartig im Jahr 2013. Da wurde ein Aufzug ins Deutsche Tischtennis Zentrum (DTTZ) eingebaut und die Heimstätte der Borussia war barrierefrei. „Wir haben sofort mit einer Rollstuhl-Regionalligamannschaft begonnen - und die ist direkt aufgestiegen“, erinnert sich Pörsch. „Wir haben aber kein damals bestehendes Team auseinandergerissen. Unsere ersten Rollstuhl-Tischtennisspieler kamen aus Österreich.“
Und dann kam Sandra Mikolaschek ins deutsche Tischtennis-Internat nach Düsseldorf. Die heute 21-Jährige ist inzwischen das deutsche Aushängeschild im Rollstuhltischtennis. Sie spielte bei den Paralympics (Olympische Spiele der Behinderten), bei Weltmeisterschaften und ist zweimalige Vize-Europameisterin und vielfache Deutsche Meisterin. Als einzige Frau spielt sie in der ersten Rollstuhltischtennis-Bundesliga. Und sie ist auch in der zweiten Damenmannschaft der Borussia in der NRW-Liga dabei. „Wir sind schon stolz, dass wir in diesem Jahr das Triple gewonnen haben, also die Deutsche Mannschaftsmeisterschaften bei den Herren, den Rollis und den stehend Behinderten“, so Pörsch.
Die Voraussetzungen für die Inklusion bei der Borussia sind sportartbedingt gut. „Wir brauchen kein gesondertes Equipment. Alle spielen am gleichen Tisch und mit gleicher Netzhöhe. Nur unsere Blinden-Tischtennisspieler fallen aus der Reihe“, so Pörsch.
Die Jugendlichen der Borussia haben in den Duellen mit Andrée eine gesunde Portion Ehrgeiz entwickelt. „Eigentlich spielt sie besser als ich. Bisher habe ich meist gegen sie verloren“, meint die zehnjährige Helena. „Aber es wird immer knapper. Ich habe mir ja auch schon einiges von ihrer Spielweise abgeguckt.“
Für die Borussia ist Inklusion eine Selbstverständlichkeit. So bietet der Verein jeden Donnerstag (19.30 bis 22 Uhr) zusammen mit dem BRSNW ein für jedermann offenes Training an. Wer kommt, kommt, egal ob behindert oder nicht. Und dieses Engagement wird vom ganzen Verein getragen. Und die Zurückhaltung ihrer Kids, als Stephi Andrée das erste Mal in die Halle rollte, war nach einer Stunde verflogen. „Als ich das erste Mal gegen sie gespielt habe, war es noch etwas Besonderes. Ich wusste nicht, was darf ich, was darf ich nicht, Stephie sitzt ja im Rollstuhl“, meint Kolja. „Jetzt aber weiß ich, sie ist eine ganz normale Spielpartnerin und sehr nett.“ Andrée ist inzwischen auch Borussia-Mitglied und wird in der 3. Damenmannschaft in der Bezirksliga spielen.
Foto: Anne Orthen
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